Haushaltssperre in Michelstadt bleibt durch die Stimmen von ÜWG- und CDU-Stadtverordneten bestehen
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MICHELSTADT. – Vor zwei Wochen verfügte der Magistrat der Stadt Michelstadt auf Betreiben von Bürgermeister Dr. Tobias Robischon in seiner Funktion als oberster Kämmerer der Stadt eine ab dem 27. August 2025 wirksame sogenannte Bewirtschaftungssperre (Haushaltssperre) mit der Folge, dass jede einzelne Aufwendung für Sach- und Dienstleistungen sowie für Zuweisungen und Zuschüsse aus dem Haushalt 2025 auf Antrag des jeweiligen Sachgebietsleiters der Genehmigung des Magistrats bedarf.
Die pragmatische Folge der nach Paragraf 107 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) „in Notlagen zulässigen Bewirtschaftungssperre“ hebelt die vom Stadtparlament am 01. April dieses Jahres beschlossenen Budgets für eben die genannten Sach- und Dienstleistungen wie auch für die Zuweisungen und Zuschüsse des aktuellen städtischen Haushalts aus. Die Verfügungsgewalt darüber obliegt dem Magistrat mit Bürgermeister Robischon an der Spitze.
Dr. Jonas Schönefeld: „Dieses scharfe Schwert ist unbegründet“
Dieses „scharfe Schwert“ (O-Ton Dr. Jonas Schönefeld, GRÜNE) sei unbegründet befanden SPD, GRÜNE und FDP im Michelstädter Stadtparlament und beantragten die Aufhebung dieser Bewirtschaftungssperre. In der Sitzung der Stadtverordneten am Dienstag, 09. September, wurde der Antrag zur Aufhebung der Haushaltssperre bei drei fehlenden Parlamentariern durch die Stimmen von ÜWG und CDU mit einem Votum von 17:17 und damit einem Patt abgelehnt.
SPD-Fraktionschef Dr. Michael Hüttenberger hatte den gemeinsamen Antrag mit GRÜNEN und FDP zuvor ausführlich begründet: „Auf dem Hintergrund des Haushaltsergebnisses 2024 (Defizit von ca. 3,3 Mio Euro gegenüber dem geplanten Defizit von ca. 6,8 Mio Euro) und auf Grundlage des Berichts zum Stand des Haushaltsvollzugs zum 30. Juni 2025 (verfasst am 19. August, vorgelegt am 27. August) sowie den sich daraus ergebenden Prognosen erfordert die Entwicklung der Erträge, der Einzahlungen, der Aufwendungen oder der Auszahlungen keine haushaltswirtschaftliche Sperre.“
„Unfähigkeit, Ausgaben sachgerecht zu planen, Einnahmen realistisch einzuschätzen und die Haushaltsentwicklung in dieser Stadt angemessen umsichtig zu steuern“
Dabei bemühte er die zurückliegenden Haushaltsansätze. Diese seien von grundsätzlicher Bedeutung weil sie sich nämlich „als die Unfähigkeit, Ausgaben sachgerecht zu planen, Einnahmen realistisch einzuschätzen und die Haushaltsentwicklung in dieser Stadt angemessen umsichtig zu steuern entpuppt“ hätten.
„Überplanungen, d.h. viel mehr Ausgaben anzusetzen, als wirklich gebraucht werden, das hat in unserer Stadt fast schon eine jahrzehntelange Tradition. Das ist ein bisschen dilettantisch, aber nicht weiter tragisch, wenn man genug Geld hat“, befand der Sozialdemokrat.
„Sobald das Geld aber knapper wird, wird’s schwierig, weil sich Parlamentarier dann nicht mehr trauen, notwendige Maßnahmen zu beschließen.“ Dann verschiebe man Sanierungen oder verzichte zunächst auf notwendige Anschaffungen. „Ganz blöd wird es aber, wenn das Geld richtig knapp wird und man sogar auf Rücklagen zurückgreifen muss. Wenn man in diesen Zeiten nicht richtig steuert, dann wird’s fatal, insbesondere für die Bürger unserer Stadt.“
Bürgermeister ein Fahrer, der nicht richtig lenken kann?
Der SPD-Sprecher erinnerte an seinen Vorjahresvergleich, bei dem er den Bürgermeister mit einem Fahrer verglich, der nicht richtig lenken kann und deshalb auf der Autobahn immer die mittlere Fahrspur benutze. „Wenn dann die Autobahn zu Ende ist, und man auf ein Städtchen zufährt, wird’s kritisch.“ Eine Lösung sei, den Fahrer zu wechseln. „Diese Möglichkeit haben die Bürger Michelstadts in eineinhalb Jahren“, spielte Hüttenberger auf die dann anstehende Bürgermeisterwahl an.
Bei einer Haushaltssperre richte sich die Höhe des Budgets nach dem, was schon ausgegeben und verpflichtet sei. Darüber hinaus dürfe nichts mehr ausgegeben werden, egal wie viel vom ursprünglichen Budget eigentlich noch zur Verfügung stehe. „Außer die Verwaltungsstelle beantragt das per Magistratsvorlage und der Magistrat entscheidet, ob er diese Ausgabe ausnahmsweise genehmigt.
Steht die Eröffnungsfeier zum Michelstädter Weihnachtsmarkt auf dem Spiel?
Ein riesiger Verwaltungsaufwand, der für reichlich Frust in der Verwaltung sorgt“, sagte Hüttenberger und nannte als Beispiel: „Für die Eröffnungsfeier des Weihnachtsmarktes ist noch kein Bühnenaufbau, keine Tontechnikbeauftragt, kein Programmpunkt verpflichtet.“
Die Haushaltssperre konsequent angewandt bedeute, dass es dieses Jahr keine Eröffnungsfeier geben würde, was einem Einsparvolumen von etwa 8.000 Euro entspreche. „Es sei denn, der Kulturamtsleiter beantragt die Freigabe dieser Mittel beim Magistrat, und dieser beschließt, diese ausnahmsweise freizugeben“, zeichnete der SPD-Fraktionschef ein düsteres Szenario.
„Diese Notlage haben wir nicht“
Der Amtsleiter könne ergo nicht mehr selbständig über sein Budget entscheiden, das er vom Stadtparlament per Haushaltsplan zugesichert bekommen habe. „Bürgermeister und Magistrat übernehmen die Budgethoheit und die alleinige Kontrolle, die >Gewaltenteilung< ist aufgehoben, das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung außer Kraft gesetzt“, warnte der SPD-Fraktionschef vor solchem Handeln.
Eine Haushaltssperre sei deshalb die absolute Ausnahme. Zu einem solchen Mittel greife man nur in aktuter finanzieller Notlage, um Schaden von der Stadt abzuwenden. „Diese Notlage haben wir nicht“, sagte er.
Der pauschalen 2-Prozent-Kürzung im Haushalt habe man zugestimmt, obwohl nach eigenen Berechnungen „gar nicht substanziell gekürzt werden muss, denn im 2025-er Haushalt stecken wieder – wie schon in den Haushalten zuvor – Überplanungen, also Mittel, die angesetzt werden, aber wie gehabt nicht gebraucht werden.“
Verwaltung hat bereits Abplanungen in Höhe von gut 950.000 Euro vorgenommen
Der Bürgermeister bezweifle natürlich, dass in seinem Haushalt noch Luft sei, gleichwohl habe seine Verwaltung bereits Abplanungen in Höhe von gut 950.000 Euro vorgenommen, wie im Haushaltsvollzugsbericht zum 30.06.2025 nachzulesen sei.
Man habe diesen Bericht inzwischen gründlich analysiert mit dem Ergebnis, dass „demnach nur noch 110.000 Euro fehlen, um die pauschale 2%-Kürzung vollständig zu erreichen und damit das geplante Jahresdefizit von 3,4 Millionen Euro nicht zu überschreiten“, ließ Hüttenberger wissen. Seine rhetorische Frage: „Rechtfertigt das eine Haushaltssperre?“ beantwortete er selbst mit der unmissverständlichen Aussage: „Eindeutig Nein!“
Das von der städtischen Finanzverwaltung dennoch prognostizierte 2025-er Defizit von 4,1 Millionen Euro sei dem Faktum geschuldet, dass andere, zwar absehbare aber nicht geplante Ausgaben hinzugekommen seien.
Nicht eingeplante Mehrkosten erfordern weitere Finanzmittel in Höhe von rund 700.000 Euro
Diese benannte Hüttenberger mit der Erhöhung der Kreis- und Schulumlage um 1% bei einem Nullansatz im Haushalt, sowie der Tariferhöhung für die städtischen Beschäftigten, die mit 3,8% wirksam wurde, aber nur mit 1,9% angesetzt war.
Dazu kämen Mindereinnahmen bei der Grundsteuer aufgrund von zahlreichen Widersprüchen gegen die neuen Berechnungsgrundlagen. In Summe seien das genau jene erwähnten 700.000 Euro, die eine zusätzliche Lücke ergäben.
„Nachtragshaushalt um benötigte Mittel zu erhalten“
„Ein Verwaltungschef, der die Spielregeln der HGO einhält und die Stadtverordneten ernst nimmt, beantragt in einem solchen Fall einen Nachtragshaushalt, und lässt sich die benötigten Mittel vom Stadtparlament freigeben“, kritisierte Dr. Hüttenberger den Bürgermeister, „denn genau das haben wir ihm von Anfang an zugesagt: Wenn Sie glauben, es wird eng, machen Sie einen Nachtrag, wir werden das genehmigen.“
Wenn eine Kommune in Hessen von der pauschalen Haushaltskürzung Gebrauch mache, wie Michelstadt das für den 2025er Haushalt nach der neu geschaffenen Regelung in Anspruch nehme, dann sehe der Finanzplanungserlass des Landes Hessen dazu konkret vor, „dass durch die Kommune entsprechende Maßnahmen ergriffen werden müssen, um den Betrag im laufenden Haushaltsjahr tatsächlich einzusparen“.
„Sperre des einzusparenden Betrages als Maßnahme zur Einhaltung des Sparzieles“
„Dabei wird ausdrücklich eine entsprechende Sperre des einzusparenden Betrages als Maßnahme zur Einhaltung des Sparzieles genannt“, entgegnete der Bürgermeister. Der Magistrat habe daher am 27. August entschieden, in den Bereichen Sach- und Dienstleistungen sowie Zuweisungen und Zuschüsse die Summe von 1.062.900 Euro quer durch den gesamten städtischen Haushalt zu sperren.
„Ziel aller Anstrengungen des Magistrates ist dabei, dass den Bürgern alle Dienstleistungen der Stadt in gewohnten Maßen zur Verfügung gestellt werden können. Der in der Stadtverordnetenversammlung vorgelegte Antrag zur Aufhebung der Sperre ist nicht vereinbar mit den rechtlichen Gegebenheiten des kommunalen Haushaltsrechts in Hessen“, sagte Dr. Robischon.
Dr. Robischon: „Für einen Nachtragshaushalt besteht derzeit keine Veranlassung“
Der Antrag widerspreche nicht nur dem genehmigten Haushalt in seiner rechnerischen Gesamtheit, er würde diesen auch gefährden“, warnte der Rathauschef. Ein Beschluss des Antrags wäre rechtswidrig, gab er als Ergebnis der Prüfung durch die kommunalen Spitzenverbände an. Der Bürgermeister hatte daher bereits angekündigt, dass er im Falle eines entsprechenden Beschlusses diesem widersprechen müsse.
Für einen Nachtragshaushalt, wie in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung gefordert, bestehe nach Robischons Auffassung derzeit keine Veranlassung. „Es bedarf lediglich der beschlossenen Bewirtschaftungssperre zur Umsetzung des genehmigten Haushaltes“, sagte er.
Dr. Schönefeld: „Wir wollen eine rechtlich klare Haushaltsführung!“
Das sah auch Dr. Jonas Schönefeld, Fraktionssprecher der GRÜNEN im Stadtparlament, deutlich anders: „Wir haben Zahlen vorliegen und sehen, dass diese Haushaltssperre unbegründet ist.“ Der Handlungsstau in der Stadt werde durch diese Haushaltssperre weiter befördert. „Wir wollen eine rechtlich klare Haushaltsführung!“
Für die CDU erklärte deren Fraktionssprecher Georg Walther „die Stadt Michelstadt geht nicht am Stock“. Die Überplanungen bauten sich lawinenmäßig auf und es müsse realistischer geplant werden. Dabei dürfe es „keine heiligen Kühe mehr geben“.
„Wir haben bei Aufstellung des Haushaltes bewusst eingegriffen, um unnötige Überplanungen zu reduzieren. Im Haushalt geplante Mehrausgaben bringen zwangsläufig höhere Grund- und, Gewerbesteuern mit sich. Dies belastet völlig unnötig den Bürger, wenn diese Überplanungen gar nicht benötigt werden“, befand Lutz Hasenzahl, Fraktionschef der FDP.
„Mit Bewirtschaftungssperre die Stadtverordnetenversammlung quasi entmachtet“
Mit der Bewirtschaftungssperre erreiche der Bürgermeister als oberster Kämmerer die Hoheit – die Stadtverordnetenversammlung sei damit quasi entmachtet. „Seit Ihrem Amtsantritt sehen wir uns damit konfrontiert, dass Dinge, die Ihnen nicht gefallen verhindert, in die Länge gezogen oder liegen gelassen werden“, warf Hasenzahl dem Bürgermeister vor und benannte Beispiele:
„Die versenkbaren Poller in der Innenstadt sind seit über 3 Jahren entschieden und werden dieses Jahr wieder nicht realisiert. Am Gräsig haben wir schon über 200.000 Euro Fördergelder verloren, weil die geplanten Maßnahmen nicht umgesetzt wurden. Von vier Trinkwasserspendern sind zwei installiert und die funktionieren nicht mal richtig.
Parlamentarier, nicht die Verwaltung, sorgen für 9 Millionen Fördermittel
Den Kulturinvestantrag für die Odenwaldhalle wollten Sie nicht bedienen. Drei Fraktionsvorsitzende haben sich daraufhin mit der Unterstützung des Bauamts dem Füllen des Antrags angenommen und so eine Zusage von 9 Mio für die Sanierung des Bürgerhauses erhalten.
Sie haben als Leiter der Verkehrsbehörde es nicht mal für nötig befunden, die lange Sperrung der Hochstraße für die Verbesserung der Schulwegesicherheit zu nutzen und die Parkplätze im nördlichen Bereich auf die gegenüberliegende Straßenseite zu verlegen. Dies war lang und oft besprochen und wenigstens das hätten Sie umsetzen können. Und so weiter und so fort…“
„Ein Instrument geschaffen, um noch mehr zu verhindern“
Jetzt habe sich der Bürgermeister „ein Instrument geschaffen, um noch mehr zu verhindern. Formell haben Sie Recht, substanziell sprechen die Zahlen eine andere Sprache. Die grundlose Haushaltsperre können wir nicht dulden! Wir haben bei der pauschalen Abplanung immer die Hand gereicht und darauf verwiesen, dass wir – wenn es wirklich notwendig werden sollte – zu einem Nachtragshaushalt bereit sind.“
Der Erlass IV 23 – 15 i 01.07 des Hessisches Ministeriums des Innern und für Sport, zum §107 der HGO gebe eine ganz klare Anweisung zum aktuellen Tagesordnungspunkt: „Der Anordnung von haushaltswirtschaftlichen Sperren wird in der Regel die Vorlage des Entwurfs einer Nachtragssatzung (§ 98 HGO) folgen. Legen Sie diese bitte umgehend vor und geben damit der Stadtverordnetenversammlung die Hoheit über den Haushalt zurück“, forderte der Liberale vom Bürgermeister.
Auch Alexander Hahn’s Vorschlag wird nicht erhört
Für die ÜWG brachte Alexander Hahn den Vorschlag zur Benennung entsprechender Haushaltspositionen für die fehlende Pauschaldeckung in Höhe von 110.000 Euro, um der Haushaltssperre entgegenzuwirken.
Nach einer Sitzungsuntebrechung erklärte sich Dr. Michael Hüttenberger für die Antragsteller bereit diesen Weg mitzugehen. Dem widersprach ÜWG-Fraktionschef Bernd Keller und bestand auf Abstimmung des Aufhebungsantrags, der – wie ausgeführt – mit einem Patt und der damit verbundenen Ablehnung endete.















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