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KOMENTAR: Ein Spiel mit gezinkten Karten in Michelstadt?

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Der Magistrat der Stadt Michelstadt hat auf Betreiben von Bürgermeister Dr. Tobias Robischon diesen als obersten Kämmerer der Stadt via Bewirtschaftungssperre „ermächtigt“ ab sofort alle vom Stadtparlament für 2025 beschlossenen und von der Aufsichtsbehörde genehmigten Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen sowie für Zuweisungen und Zuschüsse untersagen zu können.

Im Grunde muss ergo der Hausmeister der Stadtverwaltung den Bürgermeister fragen, ob er Toilettenpapier kaufen darf, sobald solches im Rathaus zur Neige geht. „Ein scharfes Schwert“, wie es der GRÜNEN-Fraktionschef Dr. Jonas Schönefeld in der jüngsten Parlamentssitzung (siehe FAKT-Bericht unter: https://fakt-in.de/2025/09/10/michelstadts-stadtparlament-gibt-verbrieftes-budgetrecht-aus-der-hand/) zutreffend formulierte.

Nun rechtfertigt sich der Bürgermeister mit einem ebenfalls im 2025-er Haushalt beschlossenen pauschalen Einsparpotenzial von 2 Prozent, das für Michelstadt im laufenden Haushaltsjahr die Summe von 1.062.900 Euro ausmacht und eingehalten werden muss, um das Jahresdefizit von rund 3,4 Millionen Euro nicht zu überschreiten.

Diese Rechtfertigung wird freilich angesichts des Faktums der von der Verwaltung zum Halbjahresende 30.06.2025 bereits „abgeplanten“ rund 953.000 der erforderlichen 1.062.900 Euro zur Farce.

Wenn die städtische Finanzverwaltung aktuell dennoch ein Jahresdefizit von 4,1 Millionen Euro prognostiziert, dann sind diese keineswegs in der Nichteinhaltung der beschlossenen Pauschaleinsparung von 2% begründet, sondern mit falschen ursprünglichen Haushaltsansätzen bei der einprozentigen Erhöhung der Kreis- und Schulumlage, die – obwohl bekannt – im Jahresetat mit Null ausgewiesen ist und der Tariferhöhung für städtische Bedienstete um 3,8 Prozent bei einem deutlich zu geringen Haushaltsansatz von nur 1,9 Prozent.

Hinzu kommen diverse Grundsteuer-Mindereinnahmen aufgrund von Widersprüchen gegen die neuen Berechnungsgrundlagen. Insgesamt addieren sich diese Positionen auf genau die 700.000 Euro auf, die gemäß der aktuelle Prognose zum Jahresende den kalkulierten Fehlbetrag von 3,4 Millionen Euro übersteigt.

Hier könnte der Verdacht aufkommen, dass der Michelstädter Bürgermeister eigene Fehlplanungen im 2025-er Haushaltsansatz unter dem „Mantel“ der 2-Prozent-Einsparung verstecken will.

Bei realistischer Betrachtung der Halbjahresprognose wäre folglich bis Jahresende überhaupt keine die erforderliche 2-Prozent- Pauschalkürzung im Haushalt betreffende Einsparung mehr erforderlich. Gleichwohl orientierten sich die Parlamentarier von SPD, GRÜNEN und FDP an den bereits „abgeplanten“ Ausgaben von rund 953.000 Euro und waren auf Vorschlag des ÜWG-Vertreters Alexander Hahn sogar bereit die zur Erreichung des Einsparziels noch erforderliche Reduzierung um rund 110.000 Euro in einzelnen entbehrlichen oder aufschiebbaren Haushaltspositionen explizit zu benennen und damit dem fixierten Einsparziel Genüge zu leisten.

Allerdings reichte all das den 17 Parlamentariern der ÜWG- und CDU-Fraktionen nicht aus um die „Ermächtigung“ des Bürgermeisters samt seines Magistrats zu kippen – obwohl die Vokabel „Ermächtigung“, insbesondere der deutschen Historie geschuldet, hierzulande deutlich negativ besetzt ist.

So kam es mit diesen 17 Stimmen und damit einem Patt im Stadtparlament zur Ablehnung des Antrags zur Aufhebung der Haushaltssperre bzw. der angebotenen Heilung der noch fehlenden 110.000 Euro zum nominalen Einsparziel von 2 Prozent im Haushalt 2025. Damit wird die >Gewaltenteilung< aufgehoben, das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung außer Kraft gesetzt, wie es SPD-Fraktionschef Hüttenberger und dessen FDP-Kollege Hasenzahl richtig formulierten.

Ob die Entscheidung des Magistrats wie auch die jetzt durch Stimmen-Patt erfolgte Sanktionierung durch das Stadtparlament im Falle einer möglichen Klage vor dem Verwaltungsgericht Bestand haben würde, darf angesichts einer Auskunft eines renommierten Verwaltungsrechtlers, der auch Europarecht lehrt, mehr als bezweifelt werden.

Dieser Hochschullehrer verweist insbesondere auf die selbst im Finanzerlass des hessischen Innenministeriums verankerte Formulierung: „Der Anordnung von haushaltswirtschaftlichen Sperren wird in der Regel die Vorlage des Entwurfs einer Nachtragssatzung (§ 98 HGO) folgen.“

Selbst unter Berücksichtigung dieser „wachsweichen Formulierung“ bleibe die Erfordernis eines Haushalts-Nachtrags für die im 2025-er Etat trotz Kenntnis der Sachlage nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigter Kosten für Kreis- und Schulumlage bzw. Tariferhöhungen.

Weshalb sich der Michelstädter Bürgermeister Dr. Robischon vor diesem wie auch dem Hintergrund vom Parlament angebotener einvernehmlichen Kooperation gegen einen Nachtragshaushalt 2025 stemmt, bleibt sein ureigenes Geheimnis – oder soll hier gar mit „gezinkten Karten“ gespielt werden?

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