Carola Lautenschläger bei ihrem Vortrag.
HS
OLFEN. – Auch diesmal waren die Besucher beim Dorftreff Olfen bei der Geschichte über die Glaubensflüchtlinge der Waldenser wieder sehr beeindruckt. Carola Lautenschläger, der Leiterin des Waldenser-Museums im Ober-Ramstädter Ortsteils Rohrbach, gelang es, die aus dem gesamten Odenwald und dem Neckartal angereisten Gäste im Gasthaus „Zum Spälterwald“ mit ihrer Schilderung zu fesseln und zu faszinieren.
Dies gelang ihr nicht zuletzt auch dadurch, dass sie ich in die traditionelle Waldenser-Tracht mit Haube und besticktem Tuch gekleidet hatte und mit ihren Bildprojektionen ihren Vortrag eindrucksvoll unterlegte. Sie erinnerte daran, dass die Dörfer Rohrbach, Wembach und Hahn im vorderen Odenwald noch immer als die „Franzosendörfer“ bezeichnet werden und sich mit Stolz auf ihre Historie und Tradition besinnen.
Die Siedlungsgeschichte geht auf das Jahr 1688 zurück, als die ursprünglich aus Frankreich stammenden Glaubensflüchtlinge mit ihren 49 Familien das tolerante Angebot von Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt (1667–1739) auf seinen Hofgütern annehmen konnten.
Der Name der Glaubensrichtung geht auf Petrus Valdes, auch Waldes, (1140-1217) aus der französischen Stadt Lyon zurück. Er war ein reicher Kaufmann und erfuhr vermutlich um 1176/77, als eine Hungersnot übers Land zog, ein religiöses Läuterungserlebnis, das sein bisheriges Leben in entscheidender Weise ändern sollte.
Weil damals die Predigten und Bibellesungen der Pfarrer in den Kirchen ausschließlich in Latein gehalten wurden, was für die Bevölkerung zumeist unverständlich war, widmete sich Valdes als reicher Lyoner Bürger dem Bibelstudium und beauftragte in den frühen 1170er Jahren einen Priester, die lateinische Bibelübersetzung, die Vulgata, in den örtlichen südfranzösischen Dialekt zu übersetzen, damit die Bibel auch vom einfachen Volk verstanden werden konnte.
Damit begründete er als religiöser Laie und Wanderprediger die Glaubensgemeinschaft der „Armen von Lyon“, die mit der Rückbesinnung auf das Evangelium als bedeutender Vorläufer der protestantischen Reformation angesehen wird. Valdes ist daher auch auf dem Lutherdenkmal (1868) in Worms abgebildet.
Der Papst verweigerte Waldes aber die Erlaubnis zur Laienpredigt. So kam es unausweichlich zum Konflikt mit der katholischen Kirche, weil diese das Recht auf die Predigt ihrem eigenen Klerus vorbehalten sah, und weil die Freigabe des Predigtrechts an Laien die Kirche in ihrer Existenz grundlegend in Frage gestellt hätte.
Valdes wurde 1182/83, nachdem er dem durch den Lyoner Erzbischof verhängten Predigtverbot nicht Folge leisten wollte, von diesem exkommuniziert und mit seinen Anhängern aus der Umgebung der Stadt vertrieben. Die Waldenser wurden auf dem Konzil von Verona (1184) aus der Kirche ausgeschlossen.
Heinrich IV. (*1553; †1610 in Paris) sicherte als König von Frankreich mit dem Edikt von Nantes den französischen Protestanten freie Religionsausübung zu. Ludwig XIV., (*1638; † 1715 in Schloss Versailles), der „Sonnenkönig“, widerrief diese Rechte, wodurch die Verfolgung der Waldenser und Hugenotten große Ausmaße annahm.
Trotz anhaltender Verfolgungen verbreitet sich die Waldenserbewegung in Frankeich, in der italienischen Lombardei, in Deutschland. Ein wichtiges Rückzugsgebiet waren die Waldensertäler in den Westalpen, im Piemont an der Grenze zu Savoyen.
Doch auch dort kam es Ende des 17. Jahrhunderts zu Vertreibungen, in deren Folge in Südwestdeutschland und in Hessen mehrere Tausend Waldenser, vielfach in neuen Siedlungen, eine neue Heimat fanden, wie auch im vorderen Odenwald. Die Waldenser gehören zur Evangelischen Kirche.
Carola Lautenschlägers Vortrag wurde durch die Anwesenheit waldensischer Nachfahren aus dem Odenwald bereichert und durch Pfarrer i.R. Wilhelm Gänssle, Erbach, der einst sein Vikariat bei der Waldensergemeine Rohrbach verbrachte und das „Waldenserlied“ mit Unterstützung der Besucher anstimmte.
Unter dem anhaltenden Beifall überreichte Moderator Horst Schnur ein essbares Honorar aus der Hausmetzgerei an die Referentin und ihren Ehemann, der für die Technik zeichnete.
Der nächste Dorftreff am Dienstag, 25. November, wird mit einer Musikgruppe zum adventlichen Singen einladen und Vorträge mit Gedichten und Legenden zu Gehör bringen.

Carola Lautenschläger mit Pfarrer i.R. Wilhelm Gänssle (2. von rechts), Bernd Helene (links) und Michael Berger (rechts).

Carola Lautenschläger in Waldenser-Tracht. Fotos: Horst Schnur













