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Fritzi Wartenberg erhält den Kurt-Hübner-Regiepreis

Fritzi Wartenberg wird mit dem Kurt-Hübner-Regiepreis ausgezeichnet. Foto: Hilde van Maas

Pressedienst Bensheim

BENSHEIM. – Der Kurt-Hübner-Regiepreis wird von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste und der Stadt Bensheim seit 1991 im Zuge der Eysoldtpreis-Verleihung in Bensheim an junge Regisseure vergeben. In diesem Jahr erhält die Auszeichnung Fritzi Wartenberg für ihre Inszenierung von Werner Schwabs „Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos“ am Burgtheater Wien.

Dotiert ist der Preis mit 5.000 Euro. Fritzi Wartenbergs Arbeit zog in diesem Jahr die Aufmerksamkeit von Alleinjurorin Almut Wagner auf sich. Als diese hörte, dass die junge Regisseurin eines der Hauptwerke des österreichischen Dramatikers, ein radikaler Erneuerer des Volksstücks, am Burgtheater inszenieren würde, wurde Wagner „umso hellhöriger und neugieriger“ – nicht zuletzt, weil Schwabs Stücke gegenwärtig nur selten auf den Spielplänen zu finden sind.

Zuvor hatte die Jurorin die gebürtige Kölnerin „bereits für ihre souverän-witzige und hochenergetische Inszenierung von Max Frischs Lehrstück ‚Biedermann und die Brandstifter‘ am Berliner Ensemble bewundert“.

Wagner, die sich bereits während ihres Studiums intensiv mit Werner Schwab beschäftigte, betonte, sie habe mit besonderer Spannung verfolgt, wie sich eine junge Regisseurin einem Werk annähert, das Schwabs schonungslose Demontage bürgerlicher Selbstgewissheiten und autoritärer Kontinuitäten so kompromisslos in den Blick nimmt.

In ihrer Jurybegründung stellt sie daher die von Neugier getriebene Frage: „Wie würde sich Wartenberg diesem wilden Steiermärker nähern, der sich in der Tradition von Thomas Bernhard und Elfriede Jelinek unverblümt in die finsteren Ecken der österreichischen Gesellschaft und Geschichte vorwagt und die Spuren der autoritären Gesinnung als ungebrochene Folge des Nationalsozialismus schonungslos offengelegt hatte?“

Mit der Wahl, der jungen Regisseurin in diesem Jahr den Nachwuchspreis zuzusprechen, liefert Wagner zugleich die Antwort auf diese Frage: „Fritzi Wartenbergs inszenatorischer Zugriff ist unerschrocken und wahnsinnig klug – und funktioniert erst einmal über die Ästhetik.

Denn sie und die Bühnenbildnerin Jessica Rockstroh kippen das Mietshaus mit den drei Etagen und Wohnungen aus dem Stück mitsamt den Bewohnerinnen und Bewohnern aus der Horizontalen in die Vertikale.“ Auf diese Weise entsteht eine „artistische Kletterwand, auf der Schwabs Figuren Halt suchen und quasi um ihr physisches Überleben kämpfen müssen“. Für die Schauspieler stelle dies eine akrobatische Herausforderung dar – während sie sprachlich um die komplexen, sonderbar gestelzten Schwab’schen Wortdrechslereien ringen.

Wagner hebt in ihrer Begründung hervor, dass das „Oben und Unten der gesellschaftlichen Hierarchien sofort sichtbar und körperlich real“ wird – verbunden mit der ständigen Gefahr des Absturzes in einen tiefen Abgrund, die das Publikum jederzeit spüre.

Fritzi Wartenberg, ihrem Team und ihrem Ensemble ist für Schwabs böse Radikalkomödie eine stringente Übersetzung aus einer ihr fernen Zeit gelungen – eine Übersetzung „an der man sich aufgrund der hervorragenden schauspielerischen Leistungen des gesamten Ensembles erfreut“. Besonders hervorzuheben seien dabei Stefanie Reinsberger als Hermann Wurm und Franziska Hackl als Frau Grollfeuer.

Trotz des Genusses aller sprachlichen Schwab’schen Finessen verlassen die Zuschauer, so Wagner, diesen Theaterabend mit Erschütterung und einem Gefühl des Unwohlseins. Denn Fritzi Wartenbergs fabelhafte Schwab-Interpretation verdeutlicht, „dass die finsteren Abgründe des ‚Gestern‘ schon längst wieder in unserem Heute angekommen sind“.

Almut Wagner ist stellvertretende Intendantin und Chefdramaturgin am Residenztheater in München und Mitglied im Vorstand des Internationalen Theaterinstituts. Zur Stadt des Gertrud-Eysoldt-Rings hat sie einen besonderen Bezug. Hier wuchs Almut Wagner auf, bevor es sie in die große, weite (Theater)-Welt zog.

Der Regiepreis erinnert an Kurt Hübner, den legendären Theatermann, der in den 1970er-Jahren mit seinem Wirken in Bochum Maßstäbe setzte und bis heute als Wegbereiter moderner Regiehandschriften gilt. Als Theaterleiter schuf er Freiräume für große Theatertalente.

Von 1992 bis 2006 war er Juror des später nach ihm benannten Kurt-Hübner-Regiepreis. Die feierliche Übergabe des Kurt-Hübner-Regiepreises findet im Rahmen der Verleihung des Gertrud-Eysoldt-Rings nach aktuellen Planungen voraussichtlich im März 2026 im Parktheater Bensheim statt.

Szenenbild aus „Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos“, Burgtheater Wien. Foto: Tommy Hetzel

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